Friedrich Bouterwek              Lydas Mängel

1766 – 1828

Menschenkunst kann Menschen nicht verengeln,

Freisinn lenkt des Adlers Wolkenflug.

Folgsam der Natur geheimem Zug

Muß der Bach sich durch die Thäler schlängeln,

 

Und du, Holde, sprichst von deinen Mängeln.

Sprichst davon so lieblich und so klug?

Meinst, ich könnte, ich! mit gutem Fug

Deinen Sinn zur Meisterweisheit gängeln?

 

irgendwo am Himmel steht geschrieben,

Daß die Liebe nur sich selbst erkennt.

Wo mein Herz das Gute eint und trennt,

 

Mag mein Geist sich im Verbessern üben;

Doch der Liebe sei das Recht gegönnt,

Der Geliebten Fehler mit zu lieben.

 

 

 

 

 

Friedrich Bouterwek              Das Mühlenwäldchen

1766 – 1828

Nimm du mich auf mit allen meinen Träumen,

Vertrauliches, geliebtes Dämmergrün!

Hier gaukelt hin, Erinnrungs-Phantasien!

Umschwebt den Quell, und flistert mit den Bäumen!

 

Mich lockt des lauten Mühlenrades Schäumen.

Ich folge diesen Wellen, wie sie fliehn.

Ich sehe, wie die Quellenufer blühn,

Für mich des Lebens Blume neu entkeimen.

 

Nur, Wäldchen, weil du mein Vertrauter bist,

Laß immer deinen stillen Wipfel schweigen!

Nur wehe Hoffnung mir aus deinen Zweigen!

 

Zum schwachen Herzen, das zu leicht vergißt,

Daß Ungestüm sein böser Dämon ist,

Wird dann der Friedensengel nieder steigen.

 

 

 

 

 

 

 

Friedrich Bouterwek              Philosophie der Liebe

1766 – 1828

Mag, wer will, ergrübeln und erklären,

Was das Herzensräthsel, Liebe, sey.

Nennt es blinde Sinnenschwärmerei!

Nennt es einen Flug in höhre Sphären!

 

Ist es dies; so will ich gern entbehren,

Was ihr wisst. Ich misse nichts dabei.

Ist es jenes; o so mag der Mai

Dieses Wunderhimmels ewig währen.

 

Hört, ihr Weisen, was ihr noch nicht wißt!

Wallen Seelen in einander über,

Ist’s nicht Eine, die ihr Glück ermißt.

 

Aber wann mein Mund ein leises: „Liebe!“

Psyche’ns Munde schwärmerisch entküßt,

Wissen Wir, was Lieb’ und Himmel ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

Friedrich Bouterwek              Die Dämmerungsfeier

1766 – 1828

Das war ein Kuß! Mit Jahren, freudenlos

Und düster, würd’ ich ihn nicht theuer büssen.

Ich sass im Dämmerlicht zu ihren Füßen,

Und drückte mein Gesicht in ihren Schooss.

 

Wie wurd’ in meiner Brust mein Herz so gross!

So fühlte sich vielleicht, als ihn sie süssen

Erscheinungen zum Gott sich träumen liessen,

Endymion auf seinem Schlummermoos.

 

Sie spielte still mit meinen wüsten Locken,

Ich drückte meinen Arm um ihre Knie’,

Und sah empor, begeistert und erschrocken.

 

Ich fragt’, ihr Aug’, und Psyche, Psyche, sie,

Sie senkte sich auf meine Lippen nieder,

Und Arm’ in Armen fanden wir uns wieder.